
Gewaltprävention und FLOSSEN WEG!
Andreas KramerTeilen
Autor & Polizist Tom Rechl über das Problem sexueller Gewalt gegen Kinder [5 Min]
Als langjähriger Jugendbeamter der Polizei und ehemaliger Student der Psychologie habe ich tiefe Einblicke in die komplexe Thematik der sexuellen Gewalt gegen Kinder in Deutschland und Österreich gewonnen. Meine Erfahrungen haben mich dazu bewogen, Präventionsprogramme zu entwickeln und Workshops anzubieten, um Kinder zu stärken und Übergriffen vorzubeugen.
Tom Rechl mit Exemplaren der FLOSSEN WEG! Heftversion
Ursachen sexueller Gewalt gegen Kinder
Die Ursachen für sexuelle Gewalt gegen Kinder sind vielschichtig und oft miteinander verwoben. Über die Jahre habe ich immer wieder festgestellt, dass es keine einfachen Erklärungen gibt, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren:
- Machtmissbrauch und Kontrollbedürfnis: Täter nutzen oft ihre Autoritätsposition oder das Vertrauensverhältnis zu Kindern aus, um ihre eigenen Bedürfnisse nach Macht und Kontrolle zu befriedigen.
- Fehlendes Unrechtsbewusstsein: Manche Täter rationalisieren ihr Verhalten und sehen es nicht als schädlich an. Sie verharmlosen die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Opfer.
- Geringes Selbstwertgefühl: Kinder mit geringem Selbstwertgefühl sind aufgrund ihrer Bedürfnisse nach Zuneigung, Anerkennung und Wertschätzung besonders gefährdet.
- Soziale Isolation/Einsamkeit: Einsamkeit ist einst starke Emotion. Eine entscheidende Täterstrategie ist, das Kind emotional und körperlich von seinen Bezugspersonen zu isolieren. Fühlt sich ein Kind bereits isoliert, hilft dies dem Täter.
- Fehlendes Verständnis für Grenzen: Einer der bedeutendsten Risikofaktoren liegt in der unzureichenden Aufklärung oder dem fehlenden Verständnis von Grenzen. Kinder, die kein Verständnis von Grenzen haben, fällt es schwer, zwischen angemessenem und unangemessenem Verhalten zu unterscheiden.
- Schlechte Kommunikation: Kinder, die nicht gelernt haben ihre Gefühle frei gegenüber den Eltern auszudrücken, können distanziert, isoliert und unsicher werden. Aus Angst, z. B. in Schwierigkeiten zu geraten, verurteilt oder bloßgestellt zu werden, halten Sie die Übergriffe oft geheim.
- Digitale Medien als Tatmittel: Die zunehmende Nutzung digitaler Medien durch Kinder eröffnet Tätern neue Möglichkeiten, Kontakt aufzunehmen und Übergriffe anzubahnen[1].
Erkennbarkeit sexueller Gewalt
Als Jugendbeamter habe ich die verheerenden Auswirkungen sexueller Gewalt auf Kinder aus nächster Nähe erlebt. Die Folgen für Betroffene können ganz unterschiedlich sein. Ausgesendete Signale oder Symtome, die auf sexuelle Gewalt hindeuten könnten, sind oft nicht eindeutig erkennbar. “Eindeutige” Hinweise, wie Verletzungen im Genital-oder Analbereich, sind eher selten und auftretende Symptome nicht spezifisch.
Kinder brauchen daher ein aufmerksames Umfeld, das auf Verhaltensauffälligkeiten und -veränderungen sensibel reagiert. Mögliche Erkennungszeichen könnten sein:
- Psychische Folgen: Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und ein geringes Selbstwertgefühl sind häufige Folgen sexueller Gewalt.
- Verhaltensauffälligkeiten: Betroffene Kinder zeigen oft Verhaltensänderungen wie sozialen Rückzug, aggressives oder sexualisiertes Verhalten, Ängstlichkeit und plötzliche Leistungseinbrüche in der Schule.
- Körperliche Symptome: Psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Essstörungen oder Schlafprobleme können auftreten.
Weitere Langzeitfolgen können unter anderem sein:
- Beziehungsprobleme: Viele Opfer haben Schwierigkeiten, gesunde Beziehungen aufzubauen und Vertrauen zu entwickeln. Sexualität kann hierbei entweder als Mittel verstanden werden, Zärtlichkeit und liebevolle Zuwendung zu erhalten oder es kann zur kompletten Ablehnung intimer Beziehungen kommen.
- Reviktimisierung: Leider besteht ein erhöhtes Risiko, dass Betroffene erneut Opfer sexueller Gewalt werden.
Prävention und Intervention
In meiner Arbeit als Jugendbeamter und durch meine Präventionsprogramme habe ich erkannt, wie wichtig es ist, Kinder zu stärken und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um sich vor Übergriffen zu schützen. Hier setzt auch das Bilder- und Malbuch FLOSSEN WEG! Kinder stärken. Übergriffen vorbeugen. an.
- Aufklärung und Kommunikation: Es ist entscheidend, mit Kindern offen und altersgerecht über sexuelle Gewalt zu sprechen. Das Buch "FLOSSEN WEG!" bietet hierfür einen idealen Einstieg für Eltern und Kinder.
- Stärkung des Selbstbewusstseins: Kinder müssen lernen, "Nein" zu sagen und ihre Grenzen zu verteidigen. Die Illustrationen und Geschichten im Buch vermitteln diese Botschaft auf kindgerechte Weise.
- Vertrauenspersonen identifizieren: Kinder sollten wissen, an wen sie sich im Notfall wenden können. Das Buch regt dazu an, gemeinsam mit den Eltern solche Vertrauenspersonen zu benennen.
- Körperliche Selbstbestimmung: Es ist wichtig, Kindern beizubringen, dass ihr Körper ihnen gehört und niemand, auch nicht die Eltern, das Recht hat, sie gegen ihren Willen zu berühren.
- Digitale Kompetenz: In einer zunehmend digitalisierten Welt müssen Kinder auch im Umgang mit Online-Medien geschult werden, um potenzielle Gefahren zu erkennen[1]. Der “Fremde Täter” bewegt sich heutzutage zu großen Teilen im Internet und findet auch seine Opfer hier.
Die Bedeutung des Buches "FLOSSEN WEG!"
Als Präventionsexperte sehe ich in dem Buch FLOSSEN WEG! ein wertvolles Werkzeug für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, und natürlich die Kinder selbst.
Gemeinsames Lesen mit den Eltern:
- Schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre, um über sensible Themen zu sprechen
- Ermöglicht es Eltern, die Reaktionen ihrer Kinder zu beobachten und darauf einzugehen
- Bietet Anknüpfungspunkte für weiterführende Gespräche über Grenzen und Selbstbestimmung
Selbstbeschäftigung von Kindern:
- Erlaubt Kindern, sich in ihrem eigenen Tempo mit den Inhalten auseinanderzusetzen
- Fördert durch das Ausmalen die kreative Verarbeitung der Themen
- Verstärkt durch wiederholtes Betrachten die präventiven Botschaften
Unterricht und Workshops:
- Dient als idealer Einstieg in das Thema Prävention sexueller Gewalt
- Bietet Lehrkräften und Workshopleiter:innen strukturiertes Material für die Vermittlung
- Ermöglicht interaktive Übungen und Rollenspiele basierend auf den Buchszenarien
In meiner Arbeit als Jugendbeamter habe ich oft erlebt, wie schwierig es für Erwachsene sein kann, mit Kindern über das Thema sexuelle Gewalt zu sprechen. Das Buch FLOSSEN WEG! überwindet diese Hürde, indem es einen kindgerechten und dennoch direkten Zugang zu diesem wichtigen Thema schafft.
Herausforderungen in der Prävention
Trotz aller Bemühungen stehen wir in der Prävention sexueller Gewalt gegen Kinder vor einigen Herausforderungen:
- Tabuisierung des Themas: Viele Erwachsene scheuen sich, offen über sexuelle Gewalt zu sprechen. Dies erschwert die Aufklärung und Prävention.
- Mangelnde Ressourcen: Oft fehlen in Schulen und Jugendeinrichtungen die nötigen finanziellen und personellen Mittel für umfassende Präventionsprogramme.
- Digitale Entwicklungen: Die rasante Entwicklung digitaler Medien erfordert ständige Anpassungen in der Präventionsarbeit, um mit neuen Gefahren Schritt zu halten[1].
- Untererfassung von Fällen: Trotz sinkender offizieller Zahlen gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Fälle werden nie gemeldet oder erkannt[2].
Erfolge und positive Entwicklungen
In den letzten Jahren waren einige ermutigende Entwicklungen zu beobachten:
- Stärkeres Bewusstsein: Das öffentliche Bewusstsein für das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder ist gestiegen. Dies führt zu mehr Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Prävention.
- Verbesserte Gesetzgebung: In Deutschland und Österreich wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Kindern verschärft.
- Digitale Hilfsangebote: Über diverse Internetplattformen können Jugendliche niederschwellig Hilfe suchen und finden[1].
Fazit und Ausblick
Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Prävention sexueller Gewalt gegen Kinder auf einem guten Weg sind. Die Kombination aus Aufklärung, Stärkung der Kinder und innovativen Ansätzen wie dem Buch FLOSSEN WEG! bietet eine solide Basis für effektive Präventionsarbeit.
Dennoch dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Jeder Fall von sexueller Gewalt gegen Kinder ist einer zu viel. Es liegt an uns allen - Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, Polizei und Gesellschaft - gemeinsam dafür zu sorgen, dass Kinder sicher und unbeschwert aufwachsen können.
FLOSSEN WEG! ist dabei ein wichtiger Baustein. Es ermöglicht uns, Kinder auf spielerische und dennoch ernsthafte Weise zu stärken und ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie brauchen, um sich vor Übergriffen zu schützen. Indem wir Kinder ernst nehmen, ihnen zuhören und sie in ihrer Selbstbestimmung unterstützen, schaffen wir eine Umgebung, in der sexuelle Gewalt keinen Platz hat.
Prävention bedeutet, kritischen Situationen durch richtige Verhaltensstrategien einen Schritt voraus zu sein. Und genau das ermöglicht uns FLOSSEN WEG! - einen Schritt voraus zu sein, um unsere Kinder zu schützen und zu stärken.
Quellen:
[1] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/podiumsdiskussion-smarte-komplizen-1.4218315
[2] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/podiumsdiskussion-vertrauen-ist-das-zauberwort-1.4221575